10/05/2010

Mein Opa, der Terrorist



Es gab mal eine Zeit, da galt mein Opa als Terrorist. Dafür saß er sogar im Gefängnis. Hier erklärt er mir warum und wie es war:

Du erinnerst dich sicher noch an die alten DDR-Zeiten. War das Leben damals besser als jetzt?
In der Hinsicht auf Sicherheit war es besser.

Aber du warst damals im Gefängnis...

Ja, es mussten welche gefunden werden, die schuldig waren am Aufbau. Damals hat die DDR die Kleinbauern in die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) zwingen wollen. Aber die Kleinbauern wollten das nicht und dann haben die das so gemacht, als wenn ich Unruhe gestiftet hätte.

Aber warum gerade du?
Ich bin mit Freunden zu einem Vergnügen gegangen - das war ein Erntefest. Verstehst du? Wir waren ja nicht geladen. Aber da nichts los war im Dorf, sind wir trotzdem hingegangen. Dann kam der Bauernvorsitzende der LPG und hat uns des Hauses verwiesen. Daraufhin sind wir gegangen. Ich bin mit Neumann die Treppe runter und habe gesehen, dass welche von der LPG meinen Bruder Wolf festhalten wollten. Aber durch den Ruck ist der LPG-Mann von der Treppe gefallen und hat sich das Bein gebrochen. Wir sind nach Hause gegangen.
Am nächsten Tag wurden wir von der Polizei verhaftet und in Sternberg eingesperrt. Wir sollen an einer Schlägerei beteiligt gewesen sein - dabei haben wir überhaupt nicht geschlagen! Ich soll der Rädelsführer gewesem sein. Ich war der Anstifter. Einer muss ja Rädelsführer sein. Also haben sie mich dazu erkoren.

Wie ging es weiter?
Nach einer Nacht in Sternberg haben sie mich wieder laufen lassen. Ich bin gleich zur Arbeit gegangen. Aber am nächsten Tag haben sie uns wieder verhaftet. Dann wurde ich in Sternberg eingeliefert und am nächsten Tag in einen PKW geladen. Es ging aus Sternberg raus. In so einen Bretterzaun rein. Und da stand eine Minna. Weißt du, was eine Minna ist?

Nein.
Das ist ein Gefangenentransporter. Mit dem wurden wir nach Schwerin gebracht.

Wie sieht ein Gefangenentransporter aus?
Du bist gefesselt und kannst bloß sitzen, aber das ist ganz eng da. Und du kannst keinen sehen, da jeder in einer Einzelkabine sitzt. Wir wussten nicht, wo es hinging. Das hat uns keiner gesagt.

Wann hast du erfahren, dass du in Schwerin warst?
Ich habe aus meinem Zellenfenster geguckt und das Schweriner Schloß gesehen.

Was war das für ein Gefängnis in Schwerin?
Das war von der Staatsicherheit.

Wusste denn deine Familie, wo du warst?
Meine Muter wusste nicht, wo ich war.

Wie war der Alltag im Gefängnis?
Ich wurde Tag und Nacht vernommen. Tag und Nacht bewusst vernommen. Sie haben mich geschlagen und gefragt, was ich über die Deutsche Demokratische Republik denke.

Was hast du geantwortet?
Ich habe gesagt, was ich dachte. Mir gings ja nicht schlecht in diesem Land.

Warst du allein in der Zelle?
Da war ich ganz allein. Ich durfte mit den anderen Gefangenen nicht reden. Freigang oder so was gab es nicht. Aber einmal, als ich ich von der Vernehmung zurück kam, war bei mir in der Zelle einer drin... Der sollte mich aushorchen.

Wie lange warst du in Schwerin?
Nach drei Monaten wurde ich abgeurteilt. Das war ein großer Schauprozess, der sollte viele Menschen erreichen, damit sie ja alle kuschen. Damit sie ja in die LPG reingehen.

Wie sah dein Urteil aus?
Ich wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Was haben sie dir vorgeworfen?
Ich soll ein Terrorist gewesen sein. Dabei war ich friedlich wie jeder andere. Ich habe gar nicht daran gedacht, Terror gegen die DDR zu machen.

Wie ging es weiter?
Ich bin nach Bützow gebracht worden. Dort habe ich eine Armbinde bekommen. Rot - für politisch. Wir saßen mit acht Mann in einer Zelle. Aus Zeitungspapieren haben wir uns ein Schachspiel gebastelt. Die schwarzen Felder haben wir mit Dreck an unseren Schuhen gemalt.
Wegen guter Führung wurde ich nach fünf Jahren frei gelassen.

Wie war das als du nach Hause gekommen bist?
Meine Mutter hat sich gefreut. Die anderen haben wieder geguckt, dass ich wieder da bin, der Terrorist wieder da ist. Ich bin wieder zur Arbeit gegangen.

Wie fühlst du dich, wenn du zurück denkst?
Das ist schon lange her. Die meisten sind bestimmt schon tot. Aber unfair behandelt fühle ich micht trotzdem.

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Anmerkung: Leider ist mein Opa vor einigen Jahren gestorben, so dass ich ihn, so gern ist es wollte, heute nicht weiter befragen kann.
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